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Klimek (Der)

10. April 2017Christian Seidel
Berliner Seele im Wiener Körper. Fotografenstar mit Autorenallüren. Ein Leben zwischen Hochgeschwindigkeit und ICE-Panne, Weingütern und Facebooksperre. Manfred Klimek im Portrait von Michael Mazohl.
Ablehnung bis Entsetzen: „Frustrierter, alter, weißer Mann in Opferlaune“, schreibt eine Freundin, als ich ihr von meinem Vorhaben erzähle, ein Porträt über Manfred Klimek zu schreiben. „Frag ihn, warum er glaubt, die Menschheit immer noch darüber informieren zu müssen, dass er Berlin cool und Wien doof findet“, eine andere. Ein journalistisch tätiger Freund: “Er soll doch mal seine Arbeit für ‘Die Zeit’ mit seiner Arbeit für ‘Vice’ vergleichen.”

 

Der Fotogott aus dem Gemeindebau

Wir blicken zurück in das Wien der 60er-Jahre: Der Mexikoplatz im zweiten Wiener Gemeindebezirk war in Klimeks Kindheit kein Sammelplatz für Bugaboo-Kinderwägen wie heute. Der Mexikoplatz war damals ein Schwarzmarkt. Daran erinnert nur noch ein kleiner Schwarzarbeiterstrich an einer Ecke des Parks. In unmittelbarer Nachbarschaft liegt der Gemeindebau, in dem Klimek bei seiner Großmutter aufwuchs. Auf der anderen Seite beginnen das Stuwerviertel und der Prater, ein bekanntes Gewerbegebiet, horizontal spezialisiert sozusagen. Ein hartes Pflaster.

Klimek machte eine Lehre zum Fotografen und begann bei der seinerzeit legendären und auch in höheren Societykreisen prestigeträchtigen Zeitschrift ‘Wiener’ zu arbeiten. „Der Wiener war damals Gott.”

Am ersten Tag seiner Arbeit schuf Klimek seine eigene Bildsprache. Bis heute arbeitet er zu mehr als 90 Prozent durchgehend analog. Mit Hasselblad, exakte Quadrate. Und für Fotonerds: „Ich bin ein alter One-Sourcer”, also mit einer Lichtquelle, ganz nach David Bailey. Wesentlich dabei aber ist: Er fotografiert nicht, er porträtiert, er fesselt den Charakter seines Gegenübers in ein Bild – eine Kunst, die nur wenige können. Eine Kunst, die bald auch von anderen bemerkt und beauftragt wird. Dazu gehören der ‘Spiegel’, ‘Die Zeit’ und der ‘Stern’ in Deutschland. ‘GQ’, die ‘Vogue’ und ‘The Sunday Times’ international.

Ikone und Fußabtreter

Porträtiert hat er die Größen aus Kultur und Politik. Einen nicht vollständigen Überblick über dieses Who ist bietet Klimeks Facebook-Page. Johnny Depp traf er in einem nichtssagenden Besprechungsraum eines Pariser Hotels. Er schuf mit Licht und einfachen Mitteln Strukturen und einen reduzierten räumlichen Eindruck: „Eine Bühne, die ich wie ein Regisseur mit ihm bespielte.”

Es ginge darum, das Banale zum Unbanalen zu machen. Oder, wie er es bei der Tennisspielerin Steffi Graf machte, das Banale zu überzeichnen: Im Foto sieht man einen stereotypen Besprechungsraum-Wandpanel, davor steht Steffi Graf, ihr Haar unkenntlich vor ihr Gesicht geschüttelt. Eine mutige Gegenposition, gerade das Gesicht nicht zu zeigen: „Das Gesicht kennt man eh. Man muss einen Hingucker schaffen, aber auch keinen blöden, ich will die Leute ja nicht unterfordern.“

Roy Scheider hatte es in Cannes bei Klimek vergleichsweise einfach. Schneider saß ungeniert oben-ohne auf der Terrasse eines Dreisterne-Restaurants: “Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.” Klimek saß mit am Tisch und näherte sich unauffällig mit einem Aufheller und einer Rolleiflex Kamera. Die machte leise klick-klick, Scheider fühlte sich weder gestört noch beobachtet, Klimek schuf eine Ikone des Schauspielers.

Gab es auch Promis, mit denen es richtig schlecht gelaufen ist? „Na klar. Aber darüber spricht man nicht“, um schmunzelnd fortzufahren „Charlotte Roche zum Beispiel.“ Sie verbot nach dem Fotoshooting die Veröffentlichung der Bilder. Roche fühlte sich von Klimeks Machismo überfordert: “Übertölpelt, sie fand auch das mit dem Assistenten komisch, sie hatte ein anderes Bild von einem Fotografen. Aber kein Thema, bezahlt wurde es natürlich trotzdem.”

Eine weltbekannte Sängerin trat ihm bei einem Interview gegen die Kamera, als der Redakteur eine falsche Frage stellte. Klimek schrie sie an: “Stop that. This is my gear, my equipment.” Interview-Abbruch. Besonders bitter für ihn war seine persönliche Begegnung mit dem Papst. Beim Papstbesuch 1983 schlüpfte Klimek durch ein Absperrung, stand plötzlich vor Karol Wojtyła, die Lichtsituation war perfekt, seine Nikon FM mit Motor machte klick klick klick, er schuf perfekte Fotos für seine persönliche Erinnerung. Denn die Filmkassette war leer. „Ich habe mich zu Tode geschämt.”

Selbst zu schreiben, Artikel zu verfassen, hat sich einfach ergeben. Nachdem er mehrmals Artikel „retten“ musste, wie er sagt, erkannte er: „Dann brauch ich keinen, der mitläuft und uninteressante Fragen stellt; da kann ich auch gleich selber schreiben.“ Das tat er dann beispielsweise auch bei der deutschen Ausgabe der ‘Vanity Fair’ (die gab es von 2007 bis 2009).

Als Anekdote gibt er zum Besten: „Ein namhafter österreichischer Redakteur hat mich deshalb aufgezogen. Dann habe ich ihm gesagt, Klartext: Wenn wir zwei in New York sind, dann bin ich der ‘Vanity Fair Author’ und Du, was bist Du? Von der Little Newspaper aus Graz, in the where-the-fuck-is-this-Styria?”. So macht man sich freilich keine Freunde.

Bis heute schreibt Klimek unter anderem regelmäßig für ‘Die Zeit’ und seit Anfang des Jahres auch für das neu aufgestellte österreichische Wochenmagazin ‘News’. Klimek ist außerdem Chefredakteur von ‘Schluck – das anstößige Weinmagazin’. Fantastisches Design, hochwertiger Druck. Gegen den Trend gibt es keine Online-Artikel. „Wir schreiben hier vollkommen anders über Wein, so einen Weinjournalismus hat es bisher noch nicht gegeben. ‘Schluck’ kaufen auch Leute, die sich gar nicht für Wein interessieren, weil sie es einfach unterhaltsam finden.“

Berlin Calling

„Berlin zieht seit Jahrzehnten Leute wie mich an. Sie gehen nach Berlin aus einem bestimmten Grund: um von ihrer eigenen Vergangenheit Abstand zu nehmen, sich neu zu erfinden und auch scheitern zu dürfen.” Das hatte Klimek 2009 auch bitter nötig. Sein Engagement als Regisseur eines Dokumentarfilms über den skandalträchtigen Wiener Tausendsassa und verurteilten Mörder Udo Proksch (Lucona Affäre) platzte.

Was ist damals passiert? „Darüber gibt es eine Verschwiegenheitsvereinbarung, und an die halte ich mich auch.” Den Film „Udo Proksch – Out of Control“ hat er nie gesehen. In Berlin fand er eine neue Heimat. Eine Stadt, die seinem Naturell eher entspricht, oder umgekehrt, die ihn besser erträgt: „Kreativität wird geschätzt. Es ist wie in New York: du bist was du bist, an dem Punkt wo du bist, und wenn du es nicht dauerhaft leistest, wirst du fallen gelassen. Vom Schmähtandeln kannst ned leben. Berlin ist eine harte Stadt, ich mag ihre wärmende Kälte.“

Da sei in Wien ganz anders. „Dieses Gemauschel, das Leistungsschmälernde, das ist in Deutschland undenkbar. In Österreich bist du erst wer wenn du tot bist oder dich gebührlich verhältst.“

Ein Vergleich zwischen Wien und Berlin von Klimek wurde lokal populär. „Ich hätte gerne, dass es heute Nacht ordentlich brennt.“, postete Klimek exklusiv eingeschränkt für seine damals 4.500 Facebook-Freunde am Abend des Wiener Akademikerballs 2014. Später setzt er nach, dass Wien nur ein „Krawallerl“ erlebt habe, das es in Berlin nicht einmal in eine Lokalzeitung geschafft hätte. Florian Klenk, Chefredakteur der Wochenzeitung Falter, zitierte den ersten Satz. Klimek zitierte ihn wegen des Zitats vor den Presserat, der die Beschwerde abwies. „Klenk kam nachher zu mir und hat mir ein Wording präsentiert, zu dem wir beide stehen können. Das Wording heißt: Er hat einen Fehler gemacht, das zu zitieren. Und ich habe maßlos, sogar beispiellos überreagiert. Händeschütteln und weitermachen.“

Beef-Alert: Alarmstufe Grüngrün

Auf alle möglichen Fragen hat Manfred Klimek noch mehr Antworten. Angefangen bei Lebensweisheiten („Weißt du, was der Garant für sexuelle Treue ist? Einfach gscheit pudern und Intimität herstellen, die exklusiv bleibt“) bis hin zum täglichen politischen Kommentar.

Da ist die Deutsche Bahn „das größte Trottelunternehmen der Welt“. Denn Klimek hat Flugangst und bereist Europa nur auf der Schiene. Dabei landet er nicht selten pannenbedingt am Abstellgleis: „Zumindest die Bahn funktioniert in Österreich besser.“

Wie ein Mantra beschwört er seine Islamformel: Das Problem sei der Islam, aber nicht die Muslime, der Islam sei eine als Religion getarnte, rechtsextreme gesellschaftspolitische Ideologie.

Besonders hart kritisiere er dabei die „Linken, die Linksliberalen und die Grünlinken, die Religionskritik als Rassismus darstellen, dabei ist Religionskritik wesentlich und eine der nobelsten Aufgaben der Linken. Ich entziehe allen Leuten, die Religionskritik für den Islam als nicht-genehmigt ansehen, das Mandat, Linker zu sein. Das sind keine Linken, das sind Bürgerliche, Verblendete.“

Der Daddy im Dandy

Der leibhaftige Klimek, das muss ich attestieren, ist ein schöner Mann: durchdringende, strahlend graublaue Augen, glattes und kräftiges, weißes Haar, ein gepflegter kurz geschnittener Bart, ein Zahnstocher lässig im Mundwinkel. Ein weißes Hemd, Manschettenknöpfe zieren seine schlanken Armgelenke, an der linken Hand eine klassische Schweizer Armbanduhr. Eine um den Po gut sitzende Jean, ein brauner Gürtel betont die Taille.

Sein Wesen wirkt auf mich überraschend freundlich, wenngleich auch jovial, und vor allem sehr präsent. Wenn er redet, und er redet praktisch unterbrochen, spricht sein ganzer Körper. Wenn er weiter ausholt, umarmt er den ganzen Tisch, um ihn für sich zu vereinnahmen.

Mit diesem Gesamterscheinungsbild verdrehte Klimek einigen Frauen den Kopf. Dabei war er 18 Jahre der Mann an der Seite der renommierten Kultur- und Lifestyle-Journalistin Michaela Ernst (früher Ressortleiterin beim Wochenmagazin ‘Profil’, heute Chefredakteurin österreichisches Wein- und Gourmetjournals ‘Falstaff’). Sohn Kristof ist heute 27 Jahre alt, Klimek Senior postete vergangenes Jahr voll väterlichen Stolzes und voll Rührung den ersten TV-Beitrag, an dem Junior maßgeblich mitgestaltete.

Geschenkt und nicht mehr teuer

Klimek wird nun zum ersten Mal im Gespräch langsamer und schlägt um ins Nachdenkliche. Schilddrüsenkrebs, acht Zentimeter lautete die Diagnose. „Ich lebe jetzt meine geschenkten Jahre.“ Der Krebs war glücklicherweise verkapselt und hat nicht metastasiert. Operabel.

Mit dem Lebenswandel habe der Krebs nichts zu tun, er führt ihn auf Tschernobyl zurück. Seine Generation habe eine deutlich erhöhte Schilddrüsenkrebsrate: „Ich war damals in der Gegend bei Parndorf, ein Job für den Wiener, das Gebiet war extrem belastet. As simple as that.“

Zum Lebenswandel gehörte auch der Schnee, auf dem er talwärts fuhr, und das im Pflug, damit es ordentlich staubte. „Ich habe darauf völlig anders reagiert. Ich wurde ruhig auf einen Gramm.”

Und weiter: „Aufstehen, durchziehen, arbeiten, jahrelang. Zum Fotografieren super und auch zum Schreiben keine Katastrophe. Doch gesundheitlich ein Drama. Finger weg! Du musst schreiben: Finger weg. Man muss schon eine sehr gefestigte Persönlichkeit sein, das dauerhaft zu überstehen. Ich habe andere erlebt, die sich damit das Hirn weggeballert haben.” Er machte einen Entzug. Der Überziehungsrahmen auch: „Und weißt, was das beste ist? Ich brauche jetzt 5.000 Euro weniger im Monat, ich kann jetzt wieder entspannter leben.”

Für ihn geht es zurück an den Schreibtisch in der neuen Wiener Altbauwohnung mit Stilmöbelausstattung. Die nächste „G’schicht“ will fertig geschrieben werden. Klimek wird auch gleich erfahren, dass er seine nächste Facebooksperre kassiert hat. Zuerst eine, dann mehrere Beschwerden wegen Beleidigung. Auftraggeber: Grüne Parteigänger. The show must go on ohne Facebook, zumindest ein paar Tage.

Text & Fotografie: Michael Mazohl

 

Gegendarstellung von Herrn Marcus Johst zum Beitrag “Klimek (Der)”

Sie schreiben unter www.punkt-magazin.com unter der Überschrift “Klimek (Der)”:

“Klimek heuerte in Berlin als Chefredakteur von ‘Captain Cork’ an, einer Online-Weintageszeitung. 2014 kam es zu einer Meuterei und zu Gerichtsverfahren mit dem Zeitungsgründer Marcus Johst, die zu Klimeks Gunsten entschieden wurden.”

Hierzu stelle ich fest:

Die geführten Gerichtsverfahren zwischen Herrn Manfred Klimek und mir, bzw. der Captain Cork UG, deren Gesellschafter und Geschäftsführer ich bin, wurden teilweise zu Gunsten der Captain Cork UG und mir entschieden.

Berlin, den 12. April 2017

Marcus Johst

 

Richtigstellung: 

Bei der von uns gewählten Formulierung handelte es sich um eine Wiedergabe von Interview-Aussagen von Hr. Klimek, auf deren Richtigkeit wir vertraut hatten.

 

Manfred Klimek portrait
 
Manfred Klimek Uhr am handgelenk
 
Manfred Klimek manschettenknöpfe
 
Manfred Klimek schuh
 
Manfred Klimek portrait
 
Manfred Klimek portrait
 
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